Die Grande Dame der afrikanischen Mode – Oumou SY

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Anfänge
„Ich bin am Fluss geboren, in Podor in der Region Fouta, im Norden von Senegal. Mein Vater starb, als ich fünf Jahre alt war. Damals stellte sich in mir die Gewissheit ein, dass ich unabhängig sein und etwas aus meinem Leben machen würde. Und seit damals widme ich mich dem, was nunmehr meine Karriere als Modeschöpferin ausmacht. Angefangen hat alles mit Puppen.
Um dem Wort meines Vaters Ehre zu erweisen, ging ich nicht zur Schule. Ich kann also weder lesen noch schreiben. Ich besuchte die Koranschule und verbrachte meine Kindheit und Jugend in den Dörfern von Fouta im Norden und in der Casamance im Süden von Senegal, von wo meine Mutter herstammt. Mit 13 eröffnete ich meine erste Werkstatt und begann, Kleider für meine Nachbarschaft zu nähen.“
So beschreibt Oumou Sy ihre Anfänge. Eine Dreizehnjährige, die nicht zur Schule gehen konnte, aber erfolgreich ihre erste Werkstatt gründet – das alleine flößt einem schon Respekt ein. Aber dabei bleibt es nicht – die junge Frau wird Modeschöpferin, Künstlerin, eine kreative und erfolgreiche Geschäftsfrau und Dozentin an internationalen Kunst- und Modehochschulen. Inzwischen 57 Jahre jung, selbst eine Schönheit, kleidet sie heute die Schönen und die Berühmten in Westafrika und darüber hinaus ein. Zu den Schönen zählen bei ihr auch die Langen (Körpergrößen so ab 2 m, meist sehr dünn) und die sehr Fülligen (meist nicht so lang). Youssou N’Dour, der auch in Deutschland bekannte und beliebte senegalesische Musiker, und viele andere Künstler und Künstlerinnen tragen auf der Bühne ihre Kostüme. Sie hat die Filme der Großen des senegalesischen Films ausgestattet, Theaterstücke und auch die erste Sahel-Oper, welche 2007 in Bamako, der Hauptstadt Malis, Premiere hatte und danach noch in Amsterdam und Paris aufgeführt worden ist.
Internationale Erfolge
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Oumou Sys Mode war in der nördlichen/westlichen Welt nicht nur in Italien, den Niederlanden, Paris und New York etc. bereits zu sehen. In Deutschland konnte man zum Beispiel ihre Kollektion phantastischer Kostüme „Rois et Reines d’Afrique“ (Könige und Königinnen Afri- kas) auf der Expo2000 in Hannover und 2007 auf der documenta12 in Kassel bestaunen. Gewidmet den historischen wie auch den mythischen Fürsten und Fürstinnen des alten Westafrikas und seiner verschie- denen Volksgruppen, aber auch großen Männern und Frauen des neueren Afrika. Wenn sie ihre Models mit Haute Coutoure Roben über den Laufsteg schickt, dann treffen sich die unterschiedlichsten Stoffe und Materia- lien, von Seide bis Raffia (eine Art Bastgewebe), von Flaschenkürbissen und Flechtwerken bis zu CD-Schei- ben usw. usf. Immer originell und sehr selbstbewußt afrikanisch, dabei Anregungen von überall her verarbei- tend. Die Presse überschlägt sich vor Begeisterung, zu Recht.
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Kulturelles und soziales Engagement
Oumou Sy ist mehrfach international ausgezeichnet worden – für ihre Mode, aber nicht nur dafür. Diese Künstlerin und Geschäftsfrau ist vielfältig kulturell und sozial engagiert. Sie hat 1996 das erste Internet-Café Westafrikas gegründet und will heute den Menschen auch in den Dörfern das Internet zugänglich machen. Sie hat den Carneval von Dakar ins Leben gerufen – jedes Jahr seit 1998 ziehen tausende Men- schen mit geschmückten Pferdewagen und LKW, zu Pferde und zu Fuß, in Kostümen und mit jeder Menge Musik durch die Straßen. Sie hat eine internationale Mode- messe in Dakar initiiert – die SYMOD wird seit 1997 jährlich abgehalten. Für die Fortsetzung dieser Liste reicht der Platz hier nicht.
 Außerdem unterstützt sie in ihrer Herkunftsregion mütterlicherseits im Süden des Senegal ein Krankenhaus und seine Ärzte organisatorisch wie finanziell und die Kinder auch emotional und kulturell. So gibt es dort inzwischen eine vielfältige Kooperation mit anderen regionalen Krankenhäusern, aber auch Ärzten und Kliniken in Frankreich sowie kulturelle Projekte mit den Kindern. Zu Zeiten werden von dem Case de Santé Aiché aus 150 Dörfer versorgt. Auch diese Liste könnte fortgesetztwerden.
 
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In dem Haus in der Medina (Altstadt) von Dakar befinden sich nicht nur Internet-Cafe und Atelier – Metissacana genannt (von Metissage, also Mischmasch, Mischung). Dort gibt es seit 1998 auch eine Ausbildungsstätte für junge Modemacherinnen und Modemacher, welche aus dem Senegal und aus aller
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Welt dorthin kommen, um zu lernen: Leydi (Haus der Erde). In der Agentur Macy (...) werden Models ausgebildet, für Oumou Sys eigene Shows, aber auch für die große und äußerst lebendige afrikanische Modeszene. Außerdem betreibt und unterstützt Oumou Sy die alten Gewerbe wie Stoffherstellung, Stofffärbung, Stickerei, Lederbearbeitung, Silberschmiede usw. Wenn die jungen Leute solche Berufe lernen, können sie die alten Werkstätten in ihren Dörfern weiter betreiben und müssen nicht in die Slums der
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Großstädte ziehen. Die alten Techniken, Künste werden lebendig erhalten. Und eine zukunftsgerichtete Mode "Made in Africa" kann die notwendigen Materialien für ihre Kreationen finden. Nur mit gesundem Selbstbewußtsein und Wurzeln in den spezifischen eigenen Möglichkeiten können die Afrikanerinnen und Afrikaner die zunehmende ökonomische wie kulturelle Globalisierung nicht bloß ertragen, sondern für sich nutzen.

 

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"Made in Africa" statt Altkleidersammlung
Eine Vision von Oumou Sy, schon seit langem und derzeit besonders aktuell: ein Label "Made in Africa", welches den Menschen in Afrika erlaubt, bezahlbare Kleidung in guter Qualität zu tragen, die schön und afrikanisch ist. Wer schon einmal in westafrikanischen Ländern gewesen ist, kennt die attraktiven afrikanischen Gewänder als auch die überwältigende Übermacht von T-Shirts und anderem aus den europäischen Altkleider-Säcken und chinesischem Billigramsch. Wenn man von den kleinen Jungs und ihrer Begeisterung für ein Fußball-Shirt von Bayern München oder Eintracht Frankfurt mal absieht – die Afrikanerinnen und Afrikaner finden diese Kleidung keineswegs schön, aber sie ist erst mal billig, auch wenn sie bald kaputt ist. (Glauben Sie bloß nicht, Ihre gespendeten Altkleider würden kostenlos an Arme abgegeben.)
Gegen diese im Grunde demütigende Situation will Oumou Sy ein Label "Made in Africa" setzen, und keineswegs nur für den Senegal. Schließlich gibt es sowohl dieses Problem als auch kreative Modemacher und vor allem Modemacherinnen in vielen Teilen Afrikas. Ein kulturelles Projekt mit Beschäftigungs- und ökonomischen Faktoren, aber auch ein politisches Engagement. Und eine interessante Chance für europäische Kooperationspartner.
Erfolgreich, aber weder einfach noch leicht
Eine Erfolgsgeschichte – aber kein einfaches Leben. Diese Frau ist von Anfang an eine Provokation gewesen für ihre patriarchal dominierte Herkunfts-Gesellschaft. In einer solchen ist es nicht selten, daß ein Mädchen nicht zur Schule gehen kann. Da kann es ein jahrelanges Zerwürfnis sogar mit der eigenen Mutter bedeuten, wenn eine junge Frau alle vorgeschlagenen Ehemänner ablehnt und Künstlerin werden will. Doch nichts macht so akzeptabel wie Erfolg. Heute ist die großzügige Unterstützerin von Krankenhäusern, Schulen und anderen dörflichen Einrichtungen überall gern gesehen. Dennoch kommt es in einer solchen Gesellschaft vor, daß der weitere Betrieb eines unabhängigen Internet-Providers und -Cafés behindert wird oder daß Polizei und Justiz versuchen, einer engagierten Frau mit absurdesten Anschuldigungen den Ruf zu ruinieren. Auch die "normalen" Wechselfälle des Lebens sind nicht immer einfach – beispielsweise die Freuden und Sorgen mit fünf Kindern (die alle eine gute Bildung bekamen) und der plötzliche Tod des Ehemanns und Partners.
Danke
Es ist mir eine große Freude, daß Oumou Sy einverstanden war, für die neue Edition der ITÉ Beurre de Karité originelle und sehr schöne kleine Beutel herzustellen. Übrigens, es war Oumou Sy, die mir eine mir bis dahin gänzlich unbekannte Anwendung von Karitébutter erklärte: Bei Husten einen Löffel voll Karité in einer Tasse heißen Tees verrühren und trinken. Wohl bekomm’s!
 
Mehr Infos und mehr Bilder:

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  • http://www.metissacana.sn/sites/oumousy/present.html – Oumou Sys offizielle web-site. Texte in Französisch, aber Links zu weiteren Seiten mit wieder Links zu verschiedenen Veranstaltungen usw. – mit jeder Menge Fotos. Leider schon länger nicht mehr aktualisiert und mancher Link funktioniert nicht. Aber die Bilder von Modeschauen und vom Carneval, die man aufrufen kann, sind der Mühe wert.
  • http://fr.wikipedia.org/wiki/Oumou_Sy – ein ausführlicher Artikel im französischen Wikipedia.
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Zum Weiterlesen und Weitersurfen:
  • Kleider-Beute
  • Kurze Einführung in das Problem des Altkleiderhandels, der Verwertung gespendeter bzw. gesammelter gebrauchter Kleidung: Kleiderspenden für die Dritte Welt?
    viele links zu einzelnen Artikeln und weiteren Verweisen, z.B. download der Studie »Kleider machen Beute« (ans Ende der Seite scrollen)

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